Konservative und operative Versorgung von Frakturen / Knochenbrüchen

Unfälle bei Kindern stellen für alle Beteiligten, an erster Stelle natürlich für das betroffene Kind, eine besondere Situation dar. Die Eltern sind meist sehr betroffen und beunruhigt, die Erwartungshaltung an den behandelnden Arzt ist entsprechend hoch.

Knochenbrüche im Wachstumsalter unterscheiden sich wesentlich von solchen bei Erwachsenen. Vor allem im Gelenkbereich sind Diagnosen bedeutend schwieriger zu stellen. Gewisse Fehlstellungen gleichen sich im Wachstumsverlauf von selber aus, bei anderen muss die Therapie entsprechend angepasst werden. Ein Grossteil der Knochenbrüche kann im Kleinkind- und Kindesalter konservativ erfolgen. Hierfür ist die differenzierte Kenntnis der Ziele, Indikationen, Möglichkeiten und Grenzen nötig. Der weitaus kleinere Anteil an knöchernen Verletzungen bedarf einer operativen Behandlung. Um in jedem Fall die richtige Prognose zu stellen, verfügen wir über viel Erfahrung und spezifisches Fachwissen.

 

 

Die häufigsten Frakturen im Kindesalter betreffen den / das


  • distale Unterarm (Bruch von Elle und / oder Speiche)

Frakturen am körperfernen Ende des Unterarmes zählen zu den häufigsten Verletzungen im Kleinkind- und Jugendalter. Bei Kindern, die jünger als 10 Jahre alt sind, besitzt der Unterarm ein erstaunliches Korrekturpotential. So können Achsabweichungen von 30° belassen werden, unter entsprechender Ruhigstellung erfolgt dann die Spontankorrektur. Ein operatives Vorgehen ist hier in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht erforderlich. Um die Eltern des jungen Patienten nicht zu verunsichern, sollte sich für die Aufklärung viel Zeit gelassen werden. Regelmässige klinische, je nach Frakturmorphologie auch radiologische Verlaufskontrollen, folgen im Rahmen der ambulanten Betreuung. Bei Kindern zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr variiert die Entscheidung zwischen operativen und konservativen Vorgehen. Neben der Frakturmorphologie ist auch die Beurteilung des Ausmasses der Verknöcherung der Wachstumsfuge von Bedeutung. Im Falle der operativen Versorgung kommen Spickdrähte, intramedulläre (im Knochen) verlaufende Nägel oder auch Plattenosteosynthesen zur Anwendung. Das Osteosynthesematerial wird meist für 3 Monate belassen und dann in einer zweiten Operation entfernt.


Ungefähr 2/3 der Unterarmschaftfrakturen beim Kind sind sogenannte Grünholzfrakturen oder Stauchungsbrüche. Vollständige Knochenbrüche finden hier meist ab dem 10. Lebensjahr statt. Bedarf es einer Kurznarkose, um den Bruch bzw. die Achsfehlstellung zu korrigieren, so wird im Allgemeinen die definitive Versorgung in gleicher Sitzung empfohlen. Die Ergebnisse der konservativen wie auch der operativen Therapie sind in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ausgezeichnet.

 

  • distale Oberarm / suprakondyläre Fraktur

Frakturen die das körperferne Ende des Oberarmes betreffen stellen ebenso eine sehr häufige Lokalisation im Kindesalter dar. Je nach Ausmass der Verknöcherung werden die Brüche dann von den Ausrenkungen abgelöst. Typisches Verletzungsalter für eine suprakondyläre Fraktur ist das 4. bis 5. Lebensjahr. Meistens ging ein Sturzmechanismus auf den ausgestreckten Unterarm dem voraus.


Neben einer Schwellung im Ellenbogengelenk mit möglicher Deformierung klagen die Patienten über starke Schmerzen. Nach der Röntgenbildgebung entscheidet sich dann das weitere Vorgehen. Unverschobene Frakturen werden konservativ mit einer Ruhigstellung, zunächst in einer Oberarmschiene versorgt, nach Abschwellung erfolgt der Schluss, die Oberarmschiene wird geschlossen und für 4 Wochen belassen. Ist das der Bruch nach hinten luxiert, so kann die Therapie mit einer sogenannten Schlinge (cuff and collar) erfolgen, dabei wird der Ellenbogen in gebeugter Stellung mit einer Schlinge fixiert, die Hand liegt hierbei auf der gegenüberliegenden Brust. Dies gelingt zunächst oft nicht in der gewünschten Stellung, so dass die Schlinge regelmässig kontrolliert und nachgezogen wird. Stark verschobene Brüche werden operativ versorgt. In der Regel erfolgt dies über eine geschlossene Spickdrahtosteosynthese mit anschliessender Ruhigstellung in einer Oberarmschiene.


Manchmal lässt sich ein Bruch nicht geschlossen reponieren, dann muss die Fraktur offen dargestellt werden, damit ein achsgerechtes anatomisches Ergebnis erzielt werden kann. Sollte sich bei der klinischen Untersuchung der Hinweis ergeben das es zu einer Nervenbeteiligung gekommen ist so muss die Fraktur operativ, offen mit entsprechender Darstellung des Nerven versorgt werden. In der weit überwiegenden Mehrzahl sind die Ergebnisse der konservativen wie operativen Therapie exzellent.

 

 

Besondere Verletzungen / Frakturbezeichnungen / Eigennamen


M. Chassaignac / Subluxation des Radiuskopf

Es handelt sich bei dem M. Chassaignac, benannt nach einem franz. Chirurgen, um eine Ausrenkung des Radiuskopfes aus dem Ellenbogengelenk, bzw. aus seiner Bandführung. Das typische Alter für eine Chassaignacverletzung beträgt bis zu 4 Jahre. Ab diesem Zeitraum hat der Radiuskopf seine endgültige Grösse erreicht und ein Ausrenken ist dann fast nicht mehr möglich. Der Radiuskopf springt aus seiner Bandführung (Ligamentum anulare radii) hervor, dabei verhakt sich der Unterarm in einer pronierten (Handfläche zeigt nach unten) Stellung. Dies ist insgesamt sehr schmerzhaft. Klassische Mechanismen zur Entstehung sind der plötzliche Zug am Unterarm, beispielsweise wenn das Kind über die Strasse laufen will, oder im Rahmen eines Stolpersturzes die Hand durch die Eltern plötzlich hochgerissen wird.


Klinisch zeigt sich neben einem stark weinenden Kind eine typische Schonhaltung. Liegt ein klassisches Unfallereignis vor, so kann auf eine Röntgenbildgebung des Ellenbogens verzichtet werden. Im Zweifel sollte aber zum Ausschluss einer Fraktur (Bruch) ein Röntgenbild angefertigt werden. Die Behandlung zielt auf die Reposition des Radiuskopfes, hierfür wird der rechtwinklig gebeugte Ellenbogen und die nach innen gedrehte Hand unter Zug in eine Streckung im Ellenbogen gebracht, die Handfläche wird dabei nach aussen gedreht. Zusätzlich kann durch den Untersucher ein leichter Druck auf den Radiuskopf gebracht werden. Oftmals ist im Anschluss an dieses Manöver ein Schnappen am Ellenbogen zu spüren, das Kind ist danach fast beschwerdefrei und kann den Arm wieder voll einsetzten. In einigen Fällen kann trotzdem für 3 bis 4 Tage zur Ruhigstellung eine Oberarmschiene sinnvoll sein.

 

  • Grünholzfraktur

Hierbei handelt es sich um eine Bruchform mit einem Achsknick die unterhalb der Knochenhaut zustande kommt. Man kann sich diese Bruchform mit einem jungen, weichen Ast vor Augen führen. Der Knochenbruch ist unvollständig, die Knochenhaut (Periost) ist grösstenteils intakt, ähnlich einem jungen Ast wo nach einem Knick die Rinde intakt ist. Je nach Ausmass der Knickbildung sollten solche Brüche wieder gerade gestellt werden, da eine asymetrische Knochnbruchheilung zu einer Deformierung, Verstärkung der Fehlstellung führen kann. Diese Fraktur kann meistens konservativ therapiert werden.

 

  • Wulstbruch

Die Wulstfraktur ist eine typische Stauchungsfraktur, überwiegend am körperfernen Ende des Unterarmes (Speiche), auftretend. Der Periostschlauch ist intakt. Diese Frakturen werden konservativ behandelt.

 

  • Biegungsbruch / Bowing fracture

In der Röntgenbildgebung ist hier keine Frakturlinie sichtbar. Mehrere Mikrofrakturen auf der konvexen Seite lassen eine Verbiegung entstehen. Die abnormale Form des Knochens im Röntgen und die Beschwerden führen dann zur Diagnose. Auch diese Frakturform sollte je nach Ausmass reponiert werden um sekundäre Fehlstellungen zu verhindern.

 

  • Monteggia-Fraktur

Benannt nach einem ital. Chirurg, der als Erster diese Frakturform beschrieb. Als klassische Monteggia Fraktur wird der Bruch der Elle bei gleichzeitiger Auskugelung (Luxation) des Radiuskopfes beschrieben. Klinisch typisch sind die Kombination aus Schmerzen, Deformation und Einwärtsdrehung des Unterarmes. Meistens ist hier eine Operation nötig. Je nach Alter des Patienten können im Knochen verlaufende Nägel oder Plattenosteosynthesen verwendet werden. Wird der Bruch der Elle gerichtet, reponiert sich in der Mehrzahl der Fälle der luxierte Radiuskopf. Problem dieser Verletzung ist dass sie häufig nicht erkannt werden, da in den Röntgenaufnahmen das Ellenbogengelenk nicht richtig abgebildet ist. Insgesamt ist die Prognose bei sofort erkannten Monteggia Verletzungen sehr gut.

 

  • Galeazzi-Fraktur

Diese sehr seltene Fraktur wurde ebenfalls nach einem ital. Chirurgen benannt. Es handelt sich hier um die Kombinationsverletzung aus Schaftfraktur der Speiche mit einer Verschiebung / Verrenkung im körperfernen Handgelenk, in dem Gelenkbereich der von aus Elle und Speiche gebildet wird. Dieses Gelenk wird auch als DRUG (distales Radioulnargelenk) bezeichnet. Durch die operative, anatomische Reposition mit einer Plattenosteosynthese der Speiche werden gute Ergebnisse erzielt. Besteht nach der Plattenosteosynthese eine Instabilität im DRUG so muss diese für einen Zeitraum von maximal bis zu 4 Wochen mit einem Draht transfixiert werden. Die Ruhigstellung für diesen Zeitraum erfolgt in einer Oberarmgipsschiene.

 

  • Toddlers fracture

Umgangssprachlich wird im englischen Sprachraum ein Toddler als Knirps bezeichnet. Diese Frakturform tritt also typischerweise im Kleinkindalter auf und wird mit dem erhöhten Bewegungsdrang in Verbindung gebracht. Manche beschreiben diese Fraktur auch als Stressfraktur. Das kindliche Skelett ermüdet sozusagen unter den fortwährenden unermüdlichen Bewegungen des Kleinkindes. In den allermeisten Fällen wird eine konservative Therapie eingeleitet.

 

  • Übergangsfrakturen

Übergangsfrakturen stellen eine Sonderform der Frakturen im Wachstumsalter dar und treten am unteren Ende des Unterschenkelknochens auf, der Tibiaepiphyse. Übergangsfraktur deshalb, da diese Bruchform im Übergang zwischen dem jugendlichen und Erwachsenenalter auftritt. Der Schluss der Wachstumsfugen hat bereits stattgefunden ist aber noch unvollständig. Die Frakturmorphologie ist hier insbesondere vom Grad des Fugenschlusses abhängig. Normalerweise Verläuft dieser Schluss exzentrisch von vorne innenseitig nach hinten aussenseitig. Einzelne Zonen der Fuge sind somit stabiler als andere. Je nach Art des Traumas wird so die Kraft von der stabilen Zone in die instabilere Zonen geleitet, der Knochen bricht. 3 Formen werden unterschieden:
Two-Plane: Hier liegt der Bruch nur in der Fuge.
Tri-Plane Typ I: Hier besteht ein zusätzlicher Ausläufer Richtung Schaftbereich des Schienbeins. Diese Form ist meist nur in der zweiten Ebene (seitlich) der Röntgendiagnostik sichtbar.
Tri-Plane Typ II: Zusätzlich strahlt ein Ausläufer des Bruchs in den Gelenkspalt hinein.

 

Was heisst konservative Therapie?
Eine Vielzahl an Verletzungen und Erkrankungen des Halte- und Bewegungsapparates können konservativ therapiert werden. Darunter versteht man die Behandlung mit Medikamenten, Physiotherapie, Durchführung von physikalischen Massnahmen sowie den Einsatz von Gipsen, Schienen und Einlagen.


Vor der Entscheidung ob eine konservative oder operative Therapie angestrebt werden soll, wird zunächst die Krankheitsgeschichte (Anamnese) erhoben sowie eine gründliche körperliche Untersuchung durchgeführt. Hinzukommen können die bildgebende Diagnostik (Sonographie, Röntgen, CT, MRI). Die überwiegende Mehrzahl der konservativen Behandlungsmethoden sind ambulant möglich, es besteht jedoch auch die Möglichkeit eines stationären Aufenthaltes.

 

Was heisst minimal-invasive Chirurgie?
Unter minimal invasiver Chirurgie versteht man operative Eingriffe mit kleinstmöglicher Verletzung von Haut und Weichteilen. Ziel dieser Operationstechniken ist es die rasche Genesung mit geringen Beschwerden nach einer Operation zu ermöglichen.


Bekanntester Vertreter ist die Gelenkspiegelung (Arthroskopie). Über kleine Hautschnitte werden eine Optik mit Kamera und entsprechende Instrumente in das betreffende Gelenk eingeschoben. Die einzelnen Operationsschritte werden an einem Monitor verfolgt. So ist beispielsweise der Ersatz des vorderen Kreuzbandes oder das Nähen eines Meniskus minimal invasiv möglich.